Die Kulisse meiner ersten Lebensjahre bestand in den Sechzigern
aus
verfallenen Fachwerkhäusern, Bauten der Weserrennaissance
und der
Vereinigung zweier Flüsse zu einem Strom, der in meiner
kindlichen Welt ins
traumhafte Nirgendwohin verschwand. Meine
Welt war eingebettet in
märchenhafte Urwälder die sich in der
Erwachsenensprache
"Zonenrandgebiet" nannten und für mich
das Paradies bedeuteten.
Olfaktorisch von großer Bedeutung war
für mich damals der "Otto-Katalog",
der betäubend nach
Lösungsmittel roch, woran ich mich, ebenso wie an den
vielen
kleinen Abbildungen in seinem Inneren, berauschte. Aber auch die
Alten Meister, die es bei sonntäglichen Besuchen in der
Gemäldegalerie vom
Schloss Wilhelmshöhe, zu sehen gab, waren
von großer Magie für mich.
Halskrausen und Hüte wurden zu
wiederkehrenden Motiven meiner
Kinderzeichnungen.
Anfang der 70er Jahre kam es zu einem Ortswechsel mit Folgen:
vom
Grimmschen Märchenwald mitten hinein in Europas größten "Chemiepark"
am Rhein. Nachts war es dort durch die illuminierte
Industrie so hell, dass
kein Stern je gesehen ward.
Gut geeignet schien diese, eigentlich lebensfeindliche Umgebung
u. a.
auch als Biotop für Drogendeliquenten, RAF-Sympathisanten,
Hausbesetzer
und Punker. Auf mich färbte hier und da was ab,
wobei dabei meine
Berufung zur Gestaltung in Form früher
Kifferbilder freigelegt wurde. Klar,
dass die Idee einer bürgerlichen
Existenz in solch einer befruchtenden
Szene keine Nahrung finden
konnte, und so blieb ich der Schule fern.
Mitte der 80er Jahre siegte dann doch der Geist der Vernunft und
ich legte
in Form einer Begabtenprüfung das hin, was meine Eltern
schon immer von
mir verlangten. Der Reichtum dieser Jahre
ermöglichte mir ein forciertes
Malen; 80er-Jahre-spezifisch bunt,
mit Motiven menschlicher Abgründe.
Doch konnte ich es dann doch
nicht lassen, studierte Design mit Erfolg und
bin nun
Diplom-Designerin. Von solcherlei "Befreiung" angespornt, hatte
ich den schönen Effekt, mich nach dem Milleniumswechsel in die
ambitionierte Einhaarpinselei stürzen zu können.
PER ASPERA AD ASTRA:
Die hart errungene Freiheit will genutzt werden!