Urlaubskarte 22.02.89
Es ist regnerisch verhangen und zu warm um Skilaufen zu können.
Eigentlich stimmt mich dieser Umstand nicht übermäßig traurig, da mir
die alpinen Aktivisten in ihren monströsen Ausrüstungen etwas Angst
einflößen. Vielleicht bilde ich es mir ein, aber ich glaube sie sprechen auch
lauter. Ihre Skier + die Stöcke wirken wie gigantische Lanzen und man
möchte sich mit ihnen auf keinen Fall anlegen. Wenn es so bleibt wie es
ist, werde ich einfach zur Bergziege und werde meckernd die Hänge
rauf + runter laufen.
Urlaubskarte 06.08.90
Dabei kann ich den Schwierigkeiten kaum einen Namen geben; ganz
diffus verschwiegen durchbrodeln sie unser Beisammensein, bei dem nie
ein richtig böses Wort fällt und nur der Unwille wie eine stickige
Dunstglocke über unseren Köpfen hängt. .... Ich hätte wirklich nicht
gedacht, daß mir die so oft herbeigesehnte Landschaftseinsamkeit
dermaßen auf die Grütze gehen könnte.
Urlaubskarte ?
peu á peut, vom Wattwurmhaufen zur Seepocke, und vom Tiedenhub
zur abendlichen Rotweinflasche wird es immer mehr Urlaub. Am geringsten
scheint mir die Hirntätigkeit beim Besteigen des Atlantiks zu sein. Die
einzige Ansage lautet: kalt. So finde ich es am besten.
Urlaubskarte 13.09.93 , St Janveur
hier gibt es Rebhühner, Ratten, Tischgeschäfte, Herbststürme, fröhliche
Franzosen – alles grinst in einem fort -, frische Luft mit Algenaroma,
parfümierte Wäldchen, Kinderfreundlichkeit, Regenschleier, Fetzenwolken,
naße Hosen, kein Nachtleben, jeden zweiten Tag Spaghetti, ein Bier was
so stark ist, daß man es fast kauen kann, unergründliche
Geschäftsöffnungszeiten, einen zufriedenen C., der mit glänzenden Augen
Meeresohrfeigen entgegennimmt.
Urlaubskarte 01.09.95
Morgens früh raus in die Berge und dann latschen wir bis abends.
Zwischendrin gibt’s massenhaft Panorama und warme wabernde
Duftwolken. Die permanente Bewegung hat etwas Betäubendes.
Alles bleibt unwirklich und durch die Überfülle leer. Möglicherweise ist
das der Trick um an Entspannung zu kommen. Schade, daß der nicht
auch in Köln funktioniert. Ich glaube die einzig wahren Zustände sind
"Urlauber" oder "Rentner" sein
Urlaubskarte 15.09.96
Der Mond hat heute Fußnagel-Qualitäten. Nach 2 ½ Wochen zeigt sich
das Schwein zum ersten Mal. Dachte schon hier gäbs keinen. Am Strand
suche ich nach Knochen. Die gibt´s öfter als Muscheln. In Süd-Italien
überholen sich die Autos; sonst ist man einfach kein Mann. Wahlweise
wird sich von Auto zu Auto unterhalten, möglichst in Haarnadelkurven.
Überhaupt eine gesprächige Nation
Brief 03.03.88
Die Disco selbst zeigte sich in einem etwas runtergegammelten 70iger
Jahre Stil (rot-schwarze Sitzpolster, die teilweise notdürftig mit Heftpflaster
zusammengeklebt waren) hatte ein separates Knutschzimmer und wurde
von illustren Gestalten bevölkert. Zwischendurch flogen die Scherben
einer Bierflasche durch die Luft und zwei Streithühnchen gingen,
schäumend vor Wut, mit abgebrochenen Flaschenhälsen aufeinander los.
Dann wurde weiter getanzt, in einer Weise, derer ich vorher auch noch nie
ansichtig geworden bin. Man hüpft dort senkrecht in die Höhe, wie Katzen,
die auf den Schwanz getreten worden sind. Ich war beeindruckt!
Brief 6.12.89
Mich umklammert mal wieder der blaue Affe. Klebrig triefen fiese
Gedanken an meinen ruhebedürftigen Gehirnwindungen entlang. Ich
möchte mir das Gehirn am liebsten ausziehen, wie eine alte, von Schweiß
schon erstarrte Socke. Anstelle dessen sitze ich wie ein verkrampfter
Muskel um meinen Tisch herum. Mein sehnlichster Wunsch hierbei ist,
endlich die Wahrheit zu wissen.
Brief 9.12.89
Anbei schicke ich Dir die eine Hälfte meines zerstörten "Köln am Rhein"
Bildes, was auf unseren gemeinsamen Spaziergang zurück geht. Zerrissen
habe ich es noch dem Vorbild Gogols, der in seiner Unsicherheit viele
seiner Werke vernichtet hat. ... Ist das nicht romantisch, wenn man, zwar
im ganz kleinen, einen so großen Geist für Sekunden nachempfinden kann?
Brief 25.02.90
Unverhofft beschenkt, nahm der Tag schon einen recht ausgelassenen
Anfang. Beinahe fühlte ich ähnliches wie entspannte Lebensfreude, die
Sonntagsspaziergänger sahen übrigens auch nicht so bepisst aus wie
sonst immer, die Sonne schien plötzlich und mein Blickwinkel war
mild & mellow.
Brief 26.06.90
Dies bedeutet für mich einen kräftezehrenden Verarbeitungsvorgang,
der durch nichts unterbrochen oder abgelenkt wird und infolgedessen
eine schier endlose Fortpflanzung erfährt. Alle Eindrücke hallen so
tagelang in meinem Gehirn. Nur wenn ich sie ausspreche, scheinen sie
mich endlich verlassen zu wollen bzw. es entsteht eine Art Metamorphose.